Erst war es elitären Hochschulkreisen vorbehalten, dann einer kleinen Schar von anarcho-Hackern. Und jetzt ist das Internet auf dem Weg, einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige zu werden. Damit dem so wird, muß sich das Web entwickeln: und zwar zurück.
(Dieser Artikel erschien bei Page207.)
Alles fing damit an, daß das amerikanische Militär ein Computernetz bauen wollte, welches auch dann noch funktioniert, wenn ein oder mehrere Knoten ausgefallen sind. Die Idee des dezentralen Internets war geboren.
Später wurde das Internet den Hochschulen geöffnet, wodurch es vor allem als Spielwiese der Studenten und Freaks bekannt wurde. In dieser Zeit waren die Nutzer des Internet noch recht überschaubar.
Heute haben sich die Anforderungen an das Internet grundlegend geändert. Auf einmal soll ein Medium, welches für offene Kommunikation geschaffen wurde, Bankgeschäfte abwickeln und Videokonferenzen übertragen. Natürlich sicher gegen Mißbrauch und schnell wie der Wind.
Das alles geht freilich. Aber nur, wenn sich das Internet weiterentwickelt.
Erst einmal muß das Internet sicherer werden. Viele Menschen haben immer noch Hemmungen, beispielsweise bei Online-Geschäften ihre Kreditkartennummer einzugeben oder ihre Bankverbindung. Gleiches gilt für E-Mail. Der mit Abstand am häufigsten genutzte Dienst im Internet ist etwa so sicher wie eine Postkarte, wenn nicht weniger. Offene Kommunikation im Netz ist zwar ein schönes Ideal, aber es darf nicht zu Lasten der Privatsphäre gehen.
Ein weiterer Rückschritt in der Technologie ist derzeit gut zu beobachten. Täglich werden neue Spezifikationen verabschiedet, neue Browser-Plugins vorgestellt oder neue Protokolle eingeführt. Tatsache ist, daß die meisten User diese Entwicklungen nicht oder nur sehr zögerlich annehmen. Viele Websites, die früher jede neue Technologie verwendeten, sind heute sehr spartanisch ausgestattet. Warum? Weil die Besucher damit nichts anfangen konnten oder es schlichtweg nicht verstanden haben.
Eine gute Website wird versuchen, möglichst viele Besucher zufrieden zu stellen. Da darf ein fehlendes Plugin kein Hindernis sein. So sinnvoll viele neue Technologien auch sind, Sie müssen sich am kleinsten gemeinsamen Nenner Ihrer Zielgruppe orientieren.
Der gravierendste Rückschritt findet derzeit jedoch auf der Hardwareseite statt.
Kennen Sie jemanden, der keinen Videorecorder programmieren kann? Würden Sie ihm einen Computer und das Internet beibringen wollen? Nein! Und das schöne ist: das müssen Sie auch nicht mehr.
Neue Computer werden immer spezialisierter auf einzelne Aufgaben zugeschnitten. AOL vertreibt in Amerika demnächst einen eigenen PC, der speziell für das Internet ausgelegt ist. Dank einem eigenen Betriebssystem, welches auf dem BeOS aufsetzt, ist der User mit einem Mausklick im Netz oder kann seine E-Mails abrufen.
Nokia hat mit dem Communicator ein Mobiltelefon entwickelt, welches nicht nur der verbalen Kommunikation dient. Man kann direkt auf einer kleinen Tastatur E-Mails schreiben und diese sofort versenden. Einen PC oder ein Modem braucht man nicht.
Einen Schritt weiter geht Cyrix. Das Webpad, derzeit noch in der Entwicklung, bedient sich wie ein Pen-PC über einen 12 Zoll TFT-Touchscreen. So kann man überall ganz einfach im Internet surfen oder etwas online bestellen. Einfacher geht’s wirklich nicht.
All diese Geräte haben eines gemeinsam: Sie bieten dem Benutzer nur begrenzte Funktionalität. Sie beherrschen nur eine Aufgabe und lassen sich oft auch nicht erweitern. Aber das wollen die User gar nicht. Wichtiger ist, daß diese Geräte einfach zu bedienen sind.
Die Entwicklung des Internet ist in vollem Gange. Bis es für jedermann einfach zu bedienen ist, wird wohl noch etwas Zeit vergehen. Aber es gibt einige sehr vielversprechende Ansätze. Bis dahin bleibt nur die Möglichkeit, auf neue Technologie zu verzichten und den Stand der Technik von gestern zu akzeptieren. Ihre Kunden werden es Ihnen danken.
(Nachtrag 2002: Natürlich entwickelt sich das Internet nach vorne. Aber in eine andere Richtung, als Sie es vielleicht vermuten würden. Nicht die aufwendige Präsentation auf Browser-Seite, sondern die Kommunikation und Dienste auf Server-Seite sind es, die das Internet zu dem machen, als was es gedacht war.)